In Deutschland wird gerne über Palästinenser:innen gesprochen, aber nicht mit ihnen.
In einem Artikel der SZ zum Fall Deutsche Welle wurden mein Kollege und ich namentlich genannt und unsere Investigation falsch wiedergegeben, jedoch wurden wir nicht um eine Stellungnahme gebeten.
Am 26. Mai 2023 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen Artikel von Moritz Baumstieger mit dem Titel Deutsche Welle; Zum Geburtstag viel Unglück, in dem es unter anderem einseitig und voller Desinformationen von der von meinem Kollegen Rabeea Eid und mir über ein Jahr recherchierte Investigation berichtet wurde, die sich mit den Antisemitismusvorwürfen bei der Deutschen Welle befasste, und am 19.03.2023 auf Arabisch bei Arab48.com veröffentlicht wurde.
Da mein Kollege und ich im Artikel namentlich erwähnt wurden, jedoch mit uns gar nicht gesprochen wurde, sondern nur einseitig mit einer Vertreterin der Deutschen Welle und dem Psychologen Ahmad Mansour, entschied ich mich folgenden Leserbrief an die SZ zu schreiben und habe ihn als betroffenen Journalisten mit der Hoffnung geschickt, dass er aus Gründen der Transparenz veröffentlicht wird:
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
Der folgende Leserbrief bezieht sich auf den Artikel mit dem Titel “Deutsche Welle: Zum Geburtstag viel Unglück”, der am 26.05.2023 in Print und Online von Ihnen veröffentlicht wurde und sich auf die Investigation meines Kollegen Rabeea Eid und mir für Arab48 bezieht:
Im Artikel wird vermittelt, mein Kollege Rabeea Eid und ich hätten in unserer Investigation für Arab48 die Befragung der von der Deutschen Welle beauftragten Untersuchungskommission an ihren Mitarbeiter:innen als "Geheimdienstverhör" charakterisiert, obwohl unsere Investigation als auch mein Interview in Übermedien auf das zusätzlich verwiesen wird deutlich macht, dass das der Eindruck und Aussage eines Deutsche Welle Mitarbeiters war.
Es wird weiterhin insinuiert, dass die Investigation sich hauptsächlich um Ahmad Mansour dreht, obwohl es nur ein Teil einer siebenteiligen Investigation zu den Antisemitismusvorwürfen bei der Deutschen Welle ist, in der auch die anderen Mitglieder:innen der Untersuchungskommission beleuchtet werden. Zudem wird nicht erwähnt, dass sich die Bewertung der Untersuchungskommission um Ahmad Mansour und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger größtenteils auf ein 66-seitiges Gutachten des renommierten israelischen Soziologen Professor Moshe Zuckermann stützt. Dieser kam zu dem Schluss der Voreingenommenheit der Untersuchungskommission, nicht wir als die Autoren der Investigation wie suggeriert wird. Zudem ist die Anschuldigung der Islamophobie gegenüber Mansour keine der Autoren, sondern die eines weiteren Gutachtens der Bridge Initiative der Georgetown University in Washington, D.C. Überdies hat die Investigation Herrn Mansour angefragt und zu Wort kommen lassen und seine Sicht ausführlich wiedergegeben.
Unerwähnt bleibt auch, dass das Arbeitsgericht Bonn bereits in einem Fall die Meinung der Untersuchungskommission kassiert hat und die Kündigung einer Mitarbeiterin als unwirksam erklärte und bestätigte, dass die gekündigte Mitarbeiterin keine antisemitischen Aussagen getätigt hat. Die Behauptung im Artikel, die Gerichte hätten sich in den verschiedenen Verfahren inhaltlich nicht mit den Antisemitismusvorwürfen befasst, stimmt so also nicht.
Zuletzt lässt der Artikel den Eindruck entstehen, dass Ahmad Mansour aufgrund unserer Investigation in Israel “diffamiert und angegangen” wird. Im Laufe unserer Recherche in Israel hat sich jedoch der Eindruck verstärkt, dass Mansour in Teilen der palästinensischen Community nicht beliebt ist, da er sehr oft klar und eindeutig pro-israelische und anti-palästinensische Positionen in der deutschen Öffentlichkeit vertritt und diese auch in Israel nicht unbemerkt bleiben.
Doch zu meinem Erstaunen, beantworte nicht die Leserbriefredaktion der SZ meine Email, sondern Moritz Baumstieger, der Autor des Artikels. In der persönlichen Stellungnahme entschuldigte er sich zunächst, dass mein Kollege Rabeea Eid als weibliche Person im Artikel zitiert wurde, es sei ein Fehler der Redigatur/Schlusskorrektur aus der Redaktion.
Weiter in seiner Antwort hieß es, er benutze zwar den Ausdruck “vor allem”, könne aber im Text nicht erkennen, er würde insinuieren, wir hätten uns in unserer Investigation “quantitativ” hauptsächlich an Mansour abgearbeitet, jedoch fügt er hinzu, er würde aus “der Artikelserie” entnehmen, Mansour sei der Hauptadressat der Kritik.
Nach seiner Ansicht sei es nicht notwendig, den Leser:innen über die Recherchegrundlagen unserer Investigation “u.a. Zuckermanns Bewertung und Bridge-Initiative Gutachten” hinzuweisen. Die kursorische Zusammenfassung auf wenigen Zeilen, die zur Verfügung standen, würde dies kaum ermöglichen. Das Interview von Übermedien sei auch verlinkt (natürlich nicht in der gedruckten Ausgabe), in dem Sinne können es Interessenten dort lesen.
Dass Mansours Familie in seinem Heimatdorf Tira nach unserer Recherche angegangen würde und dass bei den Gerichtsverfahren arbeitsrechtliche und weniger inhaltliche Fragen im Vordergrund gestanden hätten, seien Aussagen Mansours und nicht seine Behauptungen. Jedoch merkt der Autor in seiner Email beim letzteren an, nach den ihm vorliegenden Informationen sei dies bei den meisten Gerichtsverfahren der Fall gewesen. Doch genau diese Information fehlte in seinem Artikel, ebenso durfte Mansour beide Behauptungen einseitig ohne jegliche Stellungnahme unsererseits äußern.
Herr Baumstieger sehe “mit etwas Abstand” den Punkt meiner Kritik an der Andeutung in seinem SZ-Artikel; die Formulierung bezüglich “Geheimdienstverhör” könne meinem Kollegen und mir zugeschrieben werden, jedoch betont er, es würde im Artikel absichtlich durch “wird benutzt” keine konkrete Person benannt. Er hätte diesbezüglich mit seinen redigierenden Kolleg:innen gesprochen, sie würden den Satz nicht so verstehen, dass diese Behauptung meinem Kollegen und mir zugeschrieben würde. Aber damit hier keine “freiwillige” Zweideutigkeit entstehe, würde er die Online-Version abändern, sodass klarer wird, dass es sich um eine zitierte “Aussage eines ehemaligen DW-Mitarbeiters” handelt.
Auf die Stellungnahme des Kollegen Baumstieger antworte ich mit folgender Email und setzte die zuständige Redaktion für Leserbriefe bei der SZ in cc. ein, und bestand darauf, meinen Leserbrief zum Artikel zu veröffentlichen:
Sehr geehrter Herr Baumstieger, liebe Leserbriefredaktion,
ich möchte mich zuallererst bei Ihnen bedanken, dass Sie mein Anliegen ernst und entsprechend Stellung genommen haben.
Jedoch war mein Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung genau als solcher gedacht, damit die Leserschaft sich die Kritik einer der im Artikel genannten Journalisten veranschaulichen kann. Ich kann es nachvollziehen und habe volles Verständnis für Ihr Handeln, aber ich möchte auch, dass Sie mein Anliegen verstehen, denn die Vor- und Nachnamen von meinem Kollegen und mir sind öffentlich in diesem Artikel zitiert worden, unsere Investigation, an der wir über ein Jahr lang gearbeitet, viel recherchiert, zahlreiche Interviews mit Betroffenen und Verantwortlichen geführt, und Bewertungen von renommierten Expert:innen eingeholt haben, wird nur kurz und einseitig bewertet.
Wir haben selbstverständlich nichts gegen konstruktive und sachliche Kritik, im Gegenteil, wir stehen als Journalisten für solche Debatten, und wollen sie, speziell in Deutschland. Leider wird allzu oft über uns und unsere Arbeiten als palästinensische Journalist:innen und Medienmacher:innen geredet und berichtet, anstatt mit uns zu reden. Der Grund für den Leserbrief war nicht nur meine Kritik/Klarstellung an Ihrem Artikel, sondern vor allem die Nachfragen, die uns erreicht haben, mit ähnlicher Kritik von Kolleg:innen und Leser:innen, online und offline.
Zudem herrscht eine Diskrepanz zwischen dem öffentlichen Benennen von uns als Journalisten mit Vor- und Nachnamen und der Erwiderung unserer Kritik zu ihrem Artikel auf privatem Kanal per Email.
Ich möchte Sie deshalb bitten, meinen Leserbrief, den ich hier nochmal anhänge, zu veröffentlichen, damit Leserinnen und Leser, die denselben Eindruck bekommen haben, sich auf den Leserbrief stützen können.
Während Moritz Baumstieger meine Email ziemlich schnell beantwortete, er könne darüber nicht entscheiden, ob der Leserbrief veröffentlicht werde, denn dafür seien seine Kolleg:innen aus der Leserbriefredaktion zuständig, die bis heute weder auf meine beiden Emails reagiert und Stellung genommen, noch den Leserbrief veröffentlicht haben.
https://www.meforum.org/64698/georgetown-university-bridge-initiative-opposes
I do find the letter extremely non professional.
It does not justify your critics and has literally no evidence to support your claims in it at all.