Deutscher Israel-"Tourist" mit rechtsextremen Verbindungen
Gerald Hetzel ist kein "einfaches" Mitglied in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, seine Aktivitäten in der pro-israelischen Szene, vor allem innerhalb der DIG, zeigen problematisches Phänomen.
Ein kleiner weißer Kia Picanto wird im Zentrum von Nablus von wütenden Jugendlichen verfolgt; sie schlagen auf ihn ein und beleidigen die Insassen. Manche werfen Steine und schlagen die Scheibe fast ein, aber der Fahrer schafft es, mit dem Auto zu entkommen.
Das zeigten Videoaufnahmen, die am 18. März in den sozialen Medien viral gingen. Schnell wurden Behauptungen laut, palästinensische Jugendliche hätten die beiden Insassen im Mietwagen angegriffen, weil sie sie für Israelis gehalten hätten. So twitterte der deutsche Botschafter in Tel Aviv, Steffen Seibert, der die palästinensischen Jugendliche als “Mob” beschrieb, deren Angriff sei “ekelhaft und feige”.
Der israelische Fernsehsender Kann News interviewte am nächsten Tag einen der beiden “Touristen”, Gerald Hetzel. Lächelnd erklärte dieser, dass er und sein Begleiter Deutsche, nicht jüdischen Glaubens sind, die die christlichen heiligen Stätten in “Sch'chem” (der althebräisch-biblischen Name der Stadt Nablus) besuchen wollten. Während des Interviews nennt er zudem das besetzte Westjordanland “Yehuda ve-Shomron”, eine uralte hebräische Bezeichnung, die in rechten israelischen Kreisen verbreitet und unter Siedler:innen beliebt ist.
Zwar erwähnt Hetzel den Hilfsversuch der palästinensischen Polizei in Nablus und wie er und sein Begleiter von einem “israelischen Araber” gerettet wurden, er wird aber seine Sicht auf die Palästinenser:innen in “Judäa und Samaria” ändern. Der Vorfall selbst, sagt Hetzel dem Sender, habe nichts an seiner Meinung über das “nette Land” Israel geändert. Ohne jeglichen Zusammenhang erwähnt Hetzel ein Treffen, das er mit palästinensischen Kindern in Bethlehem vor fünf Jahren gehabt haben soll, welche ihm gesagt haben sollen, falls sie einen Juden auf der Straße treffen würden, würden sie ihn töten.
Zeugen aus Nablus: absichtlich provoziert
Der palästinensische Journalist Hafiz Abu Sabra aus Nablus berichtet im Gespräch, dass die jüngsten IDF Attentate in Nablus und Jenin mit zivilen Fahrzeugen durchgeführt wurden, manche mit israelischen Kennzeichen. Einer dieser Attentate hat sogar nicht mal 500 Meter von der Attacke gegen Hetzel stattgefunden. Daher sei so ein Mietwagen, speziell mit einer israelischen Flagge, sehr verdächtig.
Journalist Abu Sabra betont, Militärfahrzeuge der israelischen Besatzung würden das Hissen der israelischen Flagge während ihrer Operationen in Nablus und den palästinensischen A-Gebieten im Westjordanland meiden, um sich eine Provokation der palästinensischen Zivilist:innen, und so eine Auseinandersetzung mit ihnen zu ersparen.
Er deutet daraufhin, dass israelische Autovermietungen ihre Kund:innen eindringlich davor warnen würden, mit dem Auto ins Westbank zu fahren, insbesondere in die A-Gebiete, viele Autovermietungen würden dies sogar strikt verbieten, da sie theoretisch unter der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde stehen und die Versicherungen daher die Kosten im Fall eines Unfalls oder Notfalls nicht übernehmen würden.
Der palästinensische Journalist aus Nablus bestätigt, es gebe viele Hinweise dafür, dass der Vorfall provoziert worden war. Mehreren Zeugenaussagen zufolge, habe Hetzels Beifahrer die israelische Flagge den Passant:innen im Zentrum von Nablus provozierend gezeigt, einige Jugendliche hätten daraufhin den Mietwagen bis zum Stau verfolgt. Ähnlich berichtet Hetzel selbst in seinem Interview mit Kann News, dass mehrere junge Männer ihn und seinen Begleiter mit einem Taxi verfolgt hätten, an der Staustelle dann an die Windschutzscheibe des Autos geklopft und gebrüllt hätten. Das geht ebenfalls aus einem der verbreiteten Videos hervor, in dem es so scheint, als ob die israelische Flagge am Heck des Autos die Jugendlichen nicht interessiert, sondern eher die beiden Insassen, insbesondere der Beifahrer.
Aktivitäten mit israelischen Rechtsexremist:innen
Kurz nachdem Hetzels Interview ausgestrahlt wurde, erkannten ihn einige. Laut dieser Aussagen sei Hetzel kein Tourist, sondern ein regelmäßiger Besucher Israels, der sich dort schon seit einem oder zwei Jahren aufhalte. Er sei sogar in dem israelischen, als rechtsextremem bekannten Verein Im Tirtzu aktiv.
In der Tat lässt sich bei der Suche im Netz vieles finden, das Hetzels Aktivitäten mit Im Tirtzu dokumentiert. In einem Beitrag des offiziellen Accounts des rechtsextremen Vereins auf Instagram, der Hetzel beim Transport von Pakete für IDF Soldaten zeigt, heißt es unter anderem: “Gerald kam zu Demonstrationen, kam zu Aufmärschen, besuchte die Soldaten im ganzen Land, um Geschenke an sie zu verteilen”.
In einem Beitrag des offiziellen Accounts von Im Tirtzu auf Facebook wird Hetzel vom CEO der rechtsextremen Verein Matan Peleg, der mit rassistischer Hetze gegen Palästinenser:innen bekannt ist, für seine “Bemühungen und Aktivitäten im Verein” geehrt und herzlichst gedankt.
Ein Video zeigt Hetzel, begleitet von einem weiteren Im Tirtzu Aktivisten, wie er im besetzten Ostjerusalem Süßigkeiten an israelische Besatzungssoldaten verteilt, und zwar im bei Muslim:innen heiligen Fastenmonat Ramadan, wo in der Regel aus Respekt in der Öffentlichkeit tagsüber nichts verzehrt wird, dabei trägt er ein T-Shirt mit dem Abbild von Theodor Herzl, der Gründer des politischen Zionismus.
Im Tirtzu wird von Siedlerverbänden finanziert, agiert rassistisch gegen palästinensische Student:innen an israelischen Universitäten, hetzt gegen sie und scheut nicht, zu ihrer Tötung aufzurufen. Ein israelisches Gericht fand sogar, dass die Ideologie des rechtsextremen Vereins als Faschistisch bezeichnet werden kann.
Neben dem Verteilen von Süßigkeiten, planen Aktivist:innen von Im Tirtzu immer wieder die Al Aqsa-Moschee in Jerusalem zu stürmen, marschieren in palästinensischen Wohngebieten, provozieren die Anwohner:innen mit rassistischen Parolen, verüben Angriffe auf palästinensische Student:innen an Universitäten und rekrutieren ausländische Aktivist:innen, um israelische Menschenrechtsorganisationen auszuspionieren.
Breaking the Silence (Shovrim Schtikah), eine israelische NGO, die unter anderem Touren durch die Stadt Hebron organisiert, um über die israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik aufzuklären, dokumentierte am 21. März 2023, also drei Tage nach dem Vorfall in Nablus, wie Hetzel an ihrer Tour teilnahm. Am selben Tag hätten später Aktivist:innen von Im Tirtzu zusammen mit Siedler:innen die Tour attackiert. Dies sei eine bekannte Taktik des rechtsextremen Vereins. Da Breaking the Silence ihre Touren, um sie vor Siedlerangriffe zu schützen, nicht öffentlich ankündige, würden Im Tirtzu versuchen, ausländische Aktivist:innen als Teilnehmer:innen einzuschleusen. So wird die Route der Tour geleakt, um sie anzugreifen oder zu behindern.
Hetzel macht selbst widersprüchliche Aussagen nach dem Vorfall in Nablus, mal behauptet er, er habe “keinerlei Verbindungen zu Im Tirtzu”, mal sagt er, er habe aus Interesse an Aktivitäten teilgenommen. In einem Interview mit einer Medienplattform, die für die Hetze gegen Migrant:innen und Linke in Deutschland bekannt ist, meint er; er sehe keinen faschistischen Charakter bei Im Tirtzu, und habe keinerlei rechtsextreme oder rechtsradikale Aktionen gesehen.
Zionistische Narrative
Durch Recherchen wird deutlich, dass der 26-jährige Jurastudent nicht nur in Israel bei Im Tirtzu, sondern auch in Deutschland vor allem in pro-israelischen Kreisen bekannt ist. Er leitet gemeinsam mit einer Israelin einen Verein namens IsraLearn, der nach eigenen Angaben “gegen Antisemitismus kämpft”. Bei näherem Betrachten stellt sich jedoch heraus, dass es sich um zionistische Narrative handelt, die durch sogenannte Live Online Events verbreitet werden.
In diesen Events wird über Israel ohne jede Kritik an der Besatzung und der Siedlungspolitik gesprochen. Mit Sätzen wie “Die Araber unter dem britischen Mandat” lässt Hetzel in einem seiner Videos die Geschichte Israels Revue passieren, ohne die Nakba noch die Vertreibung der Palästinenser:innen mit einem Wort zu erwähnen.
Später rechtfertigt er Israels Besatzung der palästinensischen und arabischen Gebiete im Jahr 1967 damit, dass Israel “ein großes Gebiet erobert hat, ohne zu planen oder zu wollen”. Dass Israel 1967 der Aggressor war, wird auch verschwiegen. Der israelische Rückzug aus Gaza im Jahr 2005 wird bedauert, da er aufgrund von “Bombenbeschüsse aus Gaza, Terrorcamps und viele weitere schreckliche Dinge dort” den Israelis keine Sicherheit gebracht habe.
IsraLearn bietet Kochkurse “israelischer Spezialitäten” für 200€ an. Auf der Webseite des Vereins finden sich jedoch nur Bilder von der Zubereitung von Shakshuka, ein in Nordafrika und der Levante beliebtes Gericht. Darüber hinaus bietet der Verein von Hetzel Vorträge an Schulen und Universitäten an, die zwischen 200€ und 400€ kosten. Einer dieser Vorträge zeigt die historische Landkarte Palästinas komplett in Blau mit einer israelischen Flagge versehen.
“Verbunden mit der starken Migration besonders aus dem Nahen Osten, ist auch ein großer Anstieg von Antisemitismus und antisemitischer Vorfälle überall in Deutschland, und meine Frage an die Politik; was machen Sie dagegen? weil bisher wird viel zu wenig gemacht.”
Das hat Hetzel als Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft im Juli 2018 während einer TV-Talkshow über Einwanderung und Migration gefragt. Eine rassistische These, die in deutschen rechten Kreisen gegen Migrant:innen verbreitet wird.
Deutsch-Israelische Gesellschaft
Von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft unter der Führung von Volker Beck wird Hetzel nach dem Vorfall nur als normales Mitglied beschrieben, jedoch wird nach kurzer Recherche klar, dass dem nicht so ist. Er war im Jahr 2018 der Sprecher des Junges Forums - DIG Passau. In einem Interview mit einem lokalen Fernsehsender im April 2022 wurde er als “Vorsitzender der Ortsgruppe der DIG” in Passau vorgestellt. Die Jüdische Allgemeine betitelte ihn im Mai 2022 als den “Gründer der DIG Passau”, er sei im Verein seit 2016 aktiv, schrieb die Online-Zeitung in einem Bericht, wo Hetzel behauptete, der Stand der DIG in Passau sei von “arabischaussehenden jungen Männern” angegriffen worden.
In einer gemeinsamen Online-Veranstaltung im Mai 2022 seines Vereins IsraLearn mit der Jugendorganisation der DIG, klärt er zusammen mit dem damaligen Vorstandsmitglied des JuFo und dem heutigen Präsidiumsmitglied der DIG Aras-Nathan Keul über die Israelische Politik auf.
Im November 2020 kandidierte Hetzel gegen die heutige Vizepräsidentin der DIG Anna Staroselski für den Bundesvorstand des JuFo, die ihn zum Vorfall in Nablus scharf kritisierte. Er sei “Anhänger einer rechten Gruppierung”, sie sei enttäuscht, dass “ein langjähriges Mitglied der DIG wissentlich Öl ins Feuer des Konflikts gießt”, fand es aber nicht nötig zu erwähnen, ihn persönlich zu kennen. Hetzel gratulierte Staroselski im Dezember 2020 zu ihrer gewonnenen Wahl, worauf sie sich freundlich bedankte und auf eine gute gemeinsame Arbeit hoffte.
Es fällt schwer zu glauben, dass die DIG von Hetzels radikalen Ansichten nichts im Vorfeld gewusst haben will.
DIG-Präsident Volker Beck findet die rechtsextreme Organisation Im Tirtzu womöglich nicht wirklich gut, scheint mit seiner Politik jedoch nicht sonderlich weit von ihr entfernt zu sein. Beispielsweise betrachtet Beck die israelische Besatzung nicht als illegal, sie sei “Ergebnis der arabischen Angriffe auf israelisches Staatsgebiet”. Zudem behauptet er, palästinensische Gebiete von 1967 seien zuvor von Ägypten und Jordanien besetzt gewesen, bezeichnet die indigenen Palästinenser:innen als “Arabische Minderheit” und diskutiert mit israelischen Politikern über deren “Integration” in der eignen Heimat.
Die DIG vertritt deutlich anti-palästinensische Positionen. Die palästinensische Nakba wird als ein Mythos geleugnet und immer wieder verlangt die DIG ein Verbot von pro-palästinensischen Demonstrationen in Deutschland unter dem Vorwand der Antisemitismus-Bekämpfung.
Eine Zusammenarbeit mit dem rechten Nahost-Thinktank Mena Watch, der für seine fragwürdigen Methoden und feindseligen Verleumdungskampagnen gegen palästinasolidarische Personen und Gruppen bekannt ist, scheint die DIG nicht wirklich zu stören. Ebenso nicht die Tatsache, dass einer der Autoren bei Mena Watch ein radikaler Siedler und einer der Mitbegründer von Im Tirtzu ist, jener rechtextremen Organisation für die Hetzel, an seiner Teilnahme an deren Aktivitäten von DIG-Präsidiumsmitglieder:innen scharf kritisiert wurde und die ein israelisches Gericht als faschistisch beschrieben hat.
Edited by: Dan Weissmann
Update:
Am 29. Mai wurde Hetzel nochmal in Hebron gesichtet, wo er gemeinsam mit der rechtsextremen Gruppe Im Tirtzu eine Tour der israelischen FriedensNGO Breaking the Silence gestört und belästigt haben soll.
Am 19. Juni wurde eine Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung in der Residenz der Deutschen Botschaft von Tel Aviv zur Feier von 60 Jahren Jugendaustausch zwischen Deutschland und Israel von der rechtsradikalen Gruppe Im Tirtzu belagert und massiv gestört, dabei wurden Slogans wie “Deutschland antisemitisches Geld soll raus aus Israel” ausgerufen.
Laut eines Berichts von RND.de soll Hetzel bei der Aktion der rechtsextremen Gruppe gesichtet gewesen sein, er soll sich ebenfalls unberechtigt Zutritt zu der Veranstaltung zu verschaffen versucht haben.
Doch paar Tage zuvor am 07. Juni traf sich Hetzel im rahmen eines exklusiven Events im Axel-Springer-Haus in Berlin mit dem israelischen Botschafter Ron Prosor in Deutschland, wo er sich gemeinsam mit dem Botschafter mit freundlichem Handshake lächelnd zeigte.
Gerald Hetzel ist immer noch Mitglied der Deutsch-Israelsichen-Gesellschaft und es scheint an seiner Position als Vorsitzender der Ortsgruppe der DIG in Passau weiterhin nichts geändert zu haben.
Schlecht geschrieben, werter Herr Kollege! Sie achten zwar peinlich genau auf gendergetreue Schreibweise, wodurch sich ihr Text noch schwerfälliger liest, aber zahlreiche Rechtschreib- und Grammatikfehler lassen diese Publikation nicht gerade seriös erscheinen. Was die darin zudem enthaltenen hetzerischen Angriffe auf Gerald Hetzel betrifft, so werde ich in Kürze in einem eigenen redaktionellen Beitrag darauf zu sprechen kommen.